Bevor die Erinnerung erlischt … Ein Leben auf Flügeln zwischen Himmel und Erde

„Möchten Sie bei mir im Hubschrauber mitfliegen?“ – Die Frage von US-Major John Bergner Kam für mich so Ich war im ersten Moment so perplex, dass mir die Antwort fast im Halse stecken blieb. „Yes Sir, of course!“ - „Ja, natürlich gerne!“ antwortete ich etwas überrascht auf die ungewöhnliche Einladung des amerikanischen Offiziers, der spontan ein „Let`s go!“ nachschob und auf den kleinen Bell-Hubschrauber (Bell 47 G – H 13) am Rande des Flugfeldes deutete.
Dieser Dialog spielte sich Anfang der sechziger Jahre in der amerikanischen Kaserne „Peden Barracks“ im nordbadischen Wertheim ab, wo die US-Armee mit der „59th Transportation Company“ eine Hubschrauber-Staffel stationiert hatte. Ich war damals ein junger Redaktions-Volontär bei der Würzburger Main-Post – und schon ein bißchen „Luftfahrt-infiziert“. Woher das kam? Ich weiß es beim besten Willen nicht! Major Bergner war als Chef der Hubschrauber-Einheit „stolz wie ein Schneekönig“ auf seine „fliegenden Jungs“. Der Grund: Seine Piloten hatten im Bereich der in Europa stationierten US-Streitkräfte die meisten Flugstunden ohne Unfall absolviert – für mich Anlass, darüber eine Reportage zu schreiben.
Das Fernsehen des Süddeutschen Rundfunks filmte mit zwei Kamera-Teams die Helis vom Typ Sikorsky H 34, die als „Rettende Engel“ 1962 auch bei der Flutkatastrophe in Hamburg eingesetzt waren. Die beiden Kameraleute Thomas Doderer und Eberhard Fingardo machten einen guten Job. Major Bergner schaute sich das Spektakulum seiner Sikorsky-Staffel aus unserem Hubschrauber-Cockpit an und verhalf mir so ganz nebenbei zum ersten „Luftsprung meines Lebens“.
Für mich glich der Blick aus der ungewohnten Vogel-Perspektive einem Spaziergang durch die „Spielzeug-Welt“ an Main und Tauber. Als John Bergner gesehen hatte, dass seine Piloten auch im Formationsflug ihr Handwerk am Steuerknüppel perfekt beherrschen, wollte er wissen, ob er mir noch einen Gefallen tun könne. Ich musste nur kurz überlegen. Das Spessart-Dorf Altfeld, mein damaliger Wohnort, würde ich gerne sehen, gab ich zur Antwort und Bergner ging nach einem kurzen „Okay!“ sofort auf Nordwest-Kurs. Wenige Minuten später kreisten wir über dem Dorf, das 1946 nach der Vertreibung meiner Eltern aus dem Erzgebirge unsere neue Heimat geworden war. Dass ich mich nach der Landung auf dem Wertheimer Flugfeld mit einem artigen „Thank you so much, Major!“ für meine „luftige Premiere“ zwischen Himmel und Erde, die am Abend sogar kurz in der „Tagesschau“ des Fernsehens zu sehen war, bedankte, quittierte er mit einem kurzen „No problem, Mr. Günter!“.
Dass der „Wertheimer Rundflug“ für mich quasi der Beginn eines „Leben auf Flügeln“ sein würde, war mir damals absolut nicht in den Sinn gekommen, schon gar nicht die Tatsache, dass ich viele Jahre später einmal selbst mit einer Beech Musketeer 23 auf dem US-Airstrip landen würde.
Dass Hilfe aus der Luft oft in letzter Minute lebensrettend sein kann, sollte ich später am eigenen Leib erfahren. Nach einem Herzinfarkt brachte mich ein Intensiv-Hubschrauber vom Krankenhaus Marktheidenfeld in eine Klinik nach Bad Neustadt. Die Geschichte ging zum Glück gut aus. Ich bekam noch rechtzeitig einen Stent implantiert. Auch mein alter Freund Max Krieger, der heute als pensionierter Hauptkommissar in München wohnt und lange Pilot bei der Hubschrauber-Staffel der Bayerischen Polizei war, hatte einmal für eine „Rettung vom Himmel“ in letzter Minute gesorgt. Er schaffte es zum Beispiel einmal, mit einer gehörigen Portion Kaltschnäuzigkeit im Raum Tauberbischofsheim Menschen von Dächern zu retten, die bei einem Unwetter von Wassermassen eingeschlossen waren. Später hatte ich nach dem Okay des Innenministeriums in München einmal selbst Gelegenheit, Max auf einem Verkehrsüberwachungsflug zu begleiten. Der Freund holte mich auf dem Flugplatz Altfeld ab. Die Zeit bei ihm im Cockpit mit einer Zwischenlandung am Forsthaus Neubau mitten in den Spessart-Wäldern für eine Brotzeit-Pause war ein Erlebnis, das mir immer im Gedächtnis bleiben wird.
Einen tiefen Einblick in die zivile Luftrettung durfte ich zwei Tage lang auf dem Flughafen Nürnberg erleben, wo ich einer SAR-Hubschrauber-Crew aus Landsberg bei ihren Einsätzen über die Schulter blicken konnte. Fünfmal klingelte an beiden Tagen das „Rote Telefon“ für die fliegenden Luftretter.
Nach meinem ersten „Aus-Flug“ im kleinen US-Army-Hubschrauber in Wertheim hatte es übrigens nicht lange gedauert, bis weitere „himmlische“ Begegnungen mit der Dritten Dimension auf mich zukamen. Ich durfte zum Beispiel für meinen Arbeitgeber (Main-Post) eine Journalisten-Gruppe aus Baden-Württemberg auf einer Informations-Reise nach Dänemark zu verschiedenen NATO-Dienststellen begleiten (COMBALTAP – COMAIRBALTAP – COMNAVBALTAP – Hauptquartier Karup). Diese NATO-Hauptquartiere waren damals für die Verteidigung der Ostsee-Zugänge zuständig. Nach Norden ging es damals mit einer zweimotorigen Convair 440 der Flugbereitschaft des Verteidigungsministeriums - Blick ins Cockpit, das damals noch einem richtigen „Uhrenladen“ glich, inklusive. Den etwas turbulenten Rückflug von Dänemark nach Stuttgart mussten wir auf einer „Noratlas“ der Bundes-Luftwaffe im Frachtraum „überstehen“. In dem Flieger war es so bitter kalt, dass sich der neben mir sitzende Kollege vom Deutschland-Funk außer mit seinem Wintermantel noch mit dem Schlafanzug „bedeckte“.
Fliegen in den Sechzigern war etwas Besonderes - wie zum Beispiel eine Reise mit dem Kreisjugendring Marktheidenfeld nach Berlin. Mit dem Bus ging es zunächst nach Hannover, die geteilte Spree-Metropole erreichten wir über einen der damaligen Luft-Korridore mit einem PAN- AM-Flieger vom Typ DC 6 B. Nicht einmal zwanzig Minuten nach dem Start blieb mir an meinem „Fensterplatz am Himmel“ fast der Atem im Halse stecken. In Sichtweite unseres Fliegers tauchte plötzlich ein sowjetischer MIG-Düsenjäger auf. Was wollten die Russen bloß von uns, nachdem ich gelesen hatte, dass Jahre zuvor ein russisches Flugzeug eine französische Passagiermaschine mit scharfer Munition beschossen hatte und dabei fünf verletzte Passagiere zu beklagen waren? Die MIG-Piloten wollten uns angeblich nur Angst machen, erfuhren wir nach der Landung in Tempelhof. Der Kalte Krieg ließ grüßen!
Frauen im Cockpit – das war für die Lufthansa lange Zeit tabu! Ende der achtziger Jahre sah man mit Evi Hetzmannseder und Nicola Lisy die ersten ausgebildeten Pilotinnen im Cockpit einer Boeing 737 sitzen. Jahrzehnte später sind Dutzende von „fliegenden Amazonen“ auf den Luftstraßen dieser Welt unterwegs. Es gibt sogar eine weibliche Flugkapitänin, die bei einer ausländischen Airline unterwegs ist und gerade mal 25 Lenze „auf dem Buckel hat“. Heute pilotiert mit Cordula Pflaum sogar eine Flugkapitänin Airbus-Langstrecken-Maschinen (A 330, A 340 A 380). Pflaum darf sogar Piloten weiterbilden.
Dass ich aber einmal eine Flugkapitänin aus meinem Heimat-Landkreis Main-Spessart zu einem Fotoshooting auf dem Rhein-Main-Flughafen treffen würde, hätte ich mir nie vorstellen können. Ihr Name: Claudia Russ aus Himmelstadt am Main, die Tochter des damaligen Bürgermeisters Waldemar Russ, mit dem ich später als Pressesprecher des Landratsamts Main-Spessart eng befreundet war. Claudia, rundum ein sympathischer Typ mit einem bescheidenen Auftreten, hatte auf dem Flugplatz Hettstadt bei Würzburg bei dem Arnsteiner Fluglehrer Werner Fenn ihre ersten „fliegerischen Geh-Versuche“ unternommen und sich später in den USA zur Berufspilotin ausbilden lassen. Als ich sie im Sommer 1988 in Frankfurt traf, kam sie gerade von einem Linienflug aus Saarbrücken mit einer zweimotorigen „Embraer 120“ der Fluggesellschaft DLT im Auftrag der Lufthansa zurück. Die hübsche Himmelstadterin machte später richtig Karriere. Sie brachte es bis zur Kapitänin auf einem fünfzigsitzigen Canadair-Düsenjet bei der Lufthansa-Tochter City-Line, bei der sie auch für die Pilotenausbildung zuständig war. Einmal überquerte sie sogar den Süd-Atlantik. Bei der City-Line schaffte die Pilotin mit über 10 000 Flugstunden sogar den Sprung ins Management. Damit war Claudias Höhenflug aber noch nicht zu Ende. Sie wechselte nach Australien, wo sie bei „Kendell-Airlines“, eine Tochter von „Ansett“(damals zweitgrößte Fluggesellschaft auf dem fünften Kontinent), arbeitete und sich ebenfalls um die Weiter- und Ausbildung kompletter Cockpit-Crews kümmerte. Ihr damaliger Arbeitgeber hatte ihr privates Zuhause mit einem echten „Zuckerl“ belohnt: Ihre Wohnung in Melbourne, der Hauptstadt des Bundesstaates Victoria, lag direkt am Pazifik-Strand.
Claudia Russ und ihre blonde Kollegin Barbara Moerl-Weidig waren damals die jüngsten weiblichen Flugkapitäne in der Bundesrepublik. Barbara-Moerl-Weidig, die bei der Lufthansa-Tochter DLT eine fünfzigsitzige Turboprop-Maschine vom Typ HS 748 flog, durfte ich einmal im Cockpit von München nach Venedig und zurück begleiten. Die schneebedeckten Alpen verhießen wunderbare Ausblicke zum Satt-Sehen.
Viele Mitflüge im Cockpit werden mir in besonderer Erinnerung bleiben. Besonders denke ich an einen Flug vom australischen Cairns hinauf nach Hongkong zurück. Der Kapitän von Air-New-Zealand hatte mir überraschender Weise erlaubt, den spektakulären Landeanflug „fast mitten durch die Hochhäuser“ auf den alten Flughafen Kai-Tak im Cockpit mitzuerleben. Auf einem Video-Dreh befindet sich der glaubhafte Beweis dieses spektakulären Hongkong-Erlebnisses. Dass man während des Anfluges gelegentlich die Fernsehschirme in den Wohnzimmern flimmern sah, war keine Seltenheit. Mit Air-New-Zealand durfte ich ferner einen Cockpit-Anflug auf Melbourne „plus Überraschung“ erleben. Nach der Landung bat mich eine Stewardess, dass ich mit den First-Class-Passagieren den Flieger verlassen möge. Und wer lief da urplötzlich als Passagier neben mir? Es war kein Geringerer als Star-Tenor Luciano Pavarotti! Mehr als ein kurzes „Good Morning“ wechselten wir allerdings nicht miteinander.
Den Anflug auf weitere Airports durfte ich ebenfalls auf dem Jumpseat im Cockpit erleben. Mein Pilotenschein, den ich 1970 bei der Fluggruppe Hermann Köhl in Hettstadt bei Würzburg erworben hatte, erleichterte dieses Ansinnen in vielen Fällen. So durfte ich hinter dem Kapitän die Landung unter anderem auf folgende Flughäfen miterleben: NewYork (JFK), Washington, SanJuan (Puerto Rico), Gander (Neufundland), Nairobi, Heraklion (Kreta), Kairo, Las Palmas, Athen, Venedig, Keflavik, Lusaka (Sambia), Rio de Janeiro, Avarua (Cook-Inseln), Washington, Lajes (Azoren). Lajes war übrigens der portugiesische Militärflughafen auf der Azoren-Insel Terceira, auf der ein Airbus 330 der kanadischen Fluggesellschaft Air Transat auf dem Flug von Toronto nach Lissabon nach einem Ausfall beider Triebwerke mit 120 Kilometern zum Flughafen einer der längsten Gleitflüge in der Geschichte der Jet-Luftfahrt mit einer fast problemlosen Landung gelang.
Flugkapitän Werner Utter gehört zu den prägenden Persönlichkeiten der deutschen Nachkriegs-Luftfahrt. Der gebürtige Crailsheimer „pilotierte“ in den letzten Kriegswochen nicht nur den ersten Düsenjäger Me 262 und den Düsenbomber Arado 234, er wurde nach dem Krieg Chefpilot und Vorstandsmitglied der Deutschen Lufthansa. In seiner Autobiografie „Sonne, Wolken, Staatsvisite“ beschreibt er unter anderem den ersten spektakulären Landeanflug mit einer Boeing 707 auf den nepalesischen Gebirgs-Flughafen Kathmandu, der für ihn selbst ein „Wagnis“ gewesen sei. Anlässlich eines Portraits im „Flieger-Magazin“ lud mich Utter, der zu Hause in Bad Vilbel im Taunus Kiwis züchtete, zu einem Mitflug nach NewYork im Cockpit einer Boeing 747-400 ein. In der Stadt am Hudson River überraschte er mich dann mit einer privaten Stadtrundfahrt.
„An einem Nachmittag schnell mal nach Athen und zurück düsen?“, das mag im ersten Moment vielleicht nicht so richtig glaubhaft oder etwas angeberisch klingen. Aber: Es war ein ganz normaler Passagierflug, auf dem ich Flugkapitän Erhard Schleßmann (er ist auch ein leidenschaftlicher Segelflieger in Altfeld (Landkreis Main-Spessart) auf den „Straßen der Piloten“ in die griechische Hauptstadt mit Landung auf dem neuen Flughafen Venizelos begleiten durfte. So ganz normal war dieser Flug, für den mir die Main-Post für eine Reportage („Mit zweimal 80 000 PS abheben“) sogar eine Urkunde verlieh, wiederum doch nicht. Wir hatten nämlich in unserem Airbus A 300-600 als „unsichtbare Begleiter“ zwei bewaffnete Sheriffs des Bundesgrenzschutzes an Bord. Weil sie zivil trugen, saßen sie als „ganz normale“ Passagiere „wie Du und ich“ im Airbus. Aussteigen durften sie in Athen allerdings nicht, weil sie ja Waffen am Körper trugen.
Am Himmel Europas machte über viele Jahre hinweg ein wahrer Künstler der „fliegenden Kunst“ von sich reden, der in seinem „Fach“ nicht nur Deutscher Meister war, sondern der auch zu den „Großen“ am Steuerknüppel gehörte: Kunstflieger Norbert Holzberger aus Würzburg. Er beherrschte seine „himmlische Arbeit“ fast schon wie im Schlaf. Und wenn Norbert, von vielen als Kumpeltyp geliebt und bewundert, während des Fluges mal seinen „geliebten Gips“ (Pfeife) stopfte, dann konnte er für ein paar Sekunden sogar die Instrumente außer acht lassen. Ich wurde einmal Zeuge dieses „Rituals“, als ich mit Norbert von Würzburg nach Bonn flog, wo er geschäftlich zu tun hatte und ich einen Verwandtschaftsbesuch absolvieren konnte. Dass die Überziehwarnung piepste, störte ihn nicht im Geringsten. Leider starb Nobert Holzberger 1972 während eines Kunstflug-Trainings auf dem Würzburger Schenkenturm den Fliegertod.
Lusaka, die Hauptstadt des südafrikanischen Landes Sambia, war das Ziel eines Mitfluges, zu dem mich die Lufthansa-Tochter „German Cargo Services“ eingeladen hatte. Im Cockpit saßen Flugkapitän Dieter Wassmuth und First Officer (CoPilot) Walter Greiner. Beide Piloten waren Freunde vom Flugsportclub Altfeld, wo ich zehn Jahre lang Segelflieger himmelwärts schleppen durfte. Unsere vierstrahlige Boeing 707 hatte Hilfsgüter für den Schwarzen Erdteil geladen, in Kairo mussten wir einen Tankstopp einlegen. „Bewacht“ wurden wir in der ägyptischen Hauptstadt von einem Soldaten mit einem Gewehr, das einem Schießprügel aus dem Ersten Weltkrieg glich. Als wir auf Südkurs den Sudan passierten und unter den Tragflächen der Nil auftauchte, freute ich mich über ein „Angebot“ meines Freundes, Flugkapitän Dieter Wassmuth. „Möchtest Du mal kurz auf dem linken Sitz Platz nehmen?“, wollte der wissen. Die Antwort war klar – natürlich wollte ich das. Das „Steuer“ durfte ich natürlich nicht berühren, weil der Autopilot „seine Arbeit machte“. Aber das Erlebnis war unbeschreiblich …Auf dem Rückflug von Lusaka zur Zwischenlandung in Nairobi gehörte der Blick auf den schneebedeckten Kilimandscharo, mit 5 880 Metern höchster Berg Afrikas, zu prägenden Momenten. In Nairobi wurde unser Flieger mit 15 Tonnen Nelken der Firma „Kenia Flowers“ beladen. Den Nachtflug nach Frankfurt schaffte die Boeing, weil sie nicht voll beladen war, nonstop.
Zweimotorig über den Atlantik fliegen? Wie steht es da mit der Flugsicherheit, wenn zum Beispiel ein Triebwerk einmal seinen Geist aufgibt? Die Bundesluftwaffe hatte damit nie ein Problem gesehen. In aberdutzenden Flügen überquerte sie, als ihr viermotoriger Transporter A 400 M noch nicht einmal auf dem Reißbrett zu finden war, den „Großen Teich“ mit der zweimotorigen Transall, um die Bundeswehr-Ausbildungs-Einheiten in den Staaten und in Kanada mit Nachschub zu versorgen. Ich war einmal an Bord dieser Flüge mit Tankstopp in Keflavik (Island) und Washington. Unser Ziel hieß „Sheppard Airforce-Base“ in Texas, wo die deutsche Luftwaffe ihre Jet-Piloten ausbildete. Der Flugschüler mit der Nummer „Tausend“ war der „Glückliche“, der damals die Piloten-Schwingen an die Brust geheftet bekam. Sein Name: Burkhard Pototsky aus Bönebüttel in Schleswig Holstein, der es später sogar bis zum General gebracht hatte. Die Nummer 1 000 hätte auch Roland Gakenholz aus Würzburg sein können, der im gleichen Lehrgang das kleine und große Einmaleins der Jet-Fliegerei hinter sich brachte und der eigentliche Grund meiner Reise gewesen war, sein Vater Heinz, mein Fliegerkollege aus Hettstadt, gehörte zu den Gratulanten war. Pototsky, dem ich ein Portrait mit ganzseitigem Titelfoto im „Flieger-Magazin“ widmete, machte später in der Bundeswehr richtig Karriere. Er wurde Staffelkapitän und Geschwader-Kommodore beim „Richthofen-Jagdgeschwader 71“ in Wittmund. Auf dem Rückflug von Texas ins kalte Europa mit Tankstopp auf den Azoren saß Oberstleutnant Klaus Häusler als Kommandant im Cockpit der Transall. Häusler ist eigentlich dem Normalbürger kaum bekannt – aber seine Frau genießt dafür Promi-Status: Sie heißt Maria von Welser, eine vielfach ausgezeichnete Fernseh-Journalistin („Mona Lisa“) und ist stellvertretende Vorsitzende von Unicef Deutschland. Ein weiterer Transall-Flug ging nach El Paso, wo sich damals die Raketenschule der Deutschen Luftwaffe befand und eine echte, von den US-Streitkräften erbeutete V 1, zu sehen war. Die amerikanische Flugsicherung wollte bei diesem Flug unseren Flugzeug-Typ wissen. Man war erstaunt, dass wir zweimotorig aus Europa kamen.
Mit dem Begriff „C 160“ konnte man nicht viel anfangen. Erst als man erfuhr, dass unser Flugzeug einer Herkules ähnlich sei, war man zufrieden.
Es mag vielleicht etwas ungewöhnlich klingen, wenn ich als „Ungedienter“ zweimal zu einem Mitflug im Düsenjäger der Bundesluftwaffe bei der Waffenschule 50 in Fürstenfeldbruck eingeladen wurde. „Gina“ nannten die Piloten liebevoll das Erdkampf- und Aufklärungsflugzeug Fiat G 91. Zweimal ging es im Tiefflug von Fürstenfeldbruck im 650-Stunden-Kilometer-Tempo nach Würzburg und zurück. Ein dreitägiger medizinischer Check beim Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe war die Voraussetzung für einen Mitflug im Jet-Cockpit gewesen. Weil ich bis kurz vor der Landung den „Düsen-Ritt“ auf dem Schleudersitz relativ gut vertragen hatte, überraschte mich mein Pilot Hauptmann Horst Schürer mit einer Kunstflug-Einlage über den oberbayrischen Seen – wobei mir immer wieder die Frage „Himmel, wo ist eigentlich die Erde?“ durch den Kopf ging. Der Jet-Ausflug wird mir als „Achterbahn der Gefühle“ noch lange in Erinnerung bleiben. Apropos Kunstflug! Das Leben schreibt ja manchmal seltsame Geschichten. Gelegentlich eines USA-Urlaubs warteten meine Frau Ingrid und ich in San Francisco auf ein Rundfahrt-Schiff, vorbei an der Alcatraz-Gefängnis-Insel. Urplötzlich tauchten am blauen Nachmittags-Himmel die „Blue Angels“ auf. Mit ihren F/A-18 Jets überraschten sie uns mit mehreren Vorbeiflügen quasi zum Nulltarif. Die Jets übten damals ihre Diamonds-Formation.
Zu den Piloten, die „dienstlich“ immer wieder mal in das Cockpit einer „Düse“ stiegen, gehörte auch der deutsche Verteidigungsminister und spätere Nato-Generalsekretär Dr. Manfred Wörner. Der Oberstleutnant der Reserve war ausgebildeter Kampfpilot. Zweimal trafen wir uns zum „Small-Talk“ in Fürstenfeldbruck. Etwas „Promihaftes“ haftete Dr. Wörner nicht an, im Gegenteil: Er begegnete mir fast mit einem „kumpelhaften Auftreten“. Als ich noch Raucher war, war er sich nicht zu schade, mich nach einem „Glimmstengel“ zu fragen: „Sie, Herr Reinwarth, hätten Sie vielleicht mal eine Zigarette für mich?“ Mit Dr. Wörner machte ich zwei Reportagen für das Flieger-Magazin.
In den Lufthansa-Cockpits traf ich gelegentlich mit journalistischer Neugier Flugkapitäne, die auch „Nichtfliegern“ nicht ganz unbekannt sein dürften. Zu ihnen gehörte unter anderem Chefpilot und 747-Kapitän Franz-Heinrich von Gablenz, der als gelernter Landwirt in seiner Freizeit immer wieder das Jackett mit den vier Ärmelstreifen mit dem Traktor-Sitz auf seinem Bauernhof im Allgäu vertauschte (Er war Sohn des bekannten Luftfahrtpioniers Carl-August von Gablenz). Erfolgsautor Rudolf Braunburg (DC 10-Kapitän und Luftfahrt-Schriftsteller), Segel-Olympiasieger Flugkapitän Willy Kuhweide, Karl Senne (Leiter des ZDF-Sportstudios), Flugkapitän Walter Eichhorn („30 000 Stunden am Himmel“), DC-10-Kapitän Jost Ganghofer (jüngster Enkel des Heimat-Schriftstellers Ludwig Ganghofer („Das Schweigen im Walde“) gehörten zu den weiteren Menschen, mit denen ich entweder im Cockpit sitzen oder bei einem Interview einfach nett plaudern durfte.
Meinen ersten Kontakt zur Dritten Dimension hatte ich einem Mann zu verdanken, der selbst nie einen Steuerknüppel angerührt, es aber zur „fliegerischen“ Leinwand-Berühmtheit gebracht hatte. Es war Joachim Hansen, der in dem Kino-Streifen „Der Stern von Afrika“ den Weltkrieg-II-Piloten Hans-Joachim „Jochen“ Marseille darstellte. Hansen war von dem Wertheimer Kino-Besitzer Hermann Arnold eingeladen worden. Zusammen mit seiner Partnerin Maria Perschy, die einmal mit Rock Hudson vor der Kamera stand, verbrachten wir ein nettes Plauderstündchen im heimeligen Ufer- Gärtchen des Hotels „Kette“ in Wertheim.
Immer wieder wurde ich gefragt, ob denn Fliegen gefährlich sei. Meine Antwort lautete knapp und kurz: „Nein“. Statistiken beweisen dies. Gefährlich sei eigentlich nur der Weg zum Flugplatz, war immer wieder mal zu hören. Die erst 25jährige gebürtige Bonnerin Rita Maiburg war die jüngste Flugkapitänin in der westlichen Welt. Sie verunglückte 1977 auf dem Weg zum Flugplatz so schwer, dass sie acht Tage später im Krankenhaus an einer Lungenembolie starb.
Zweimal ging mir während meiner jahrzehnte-langen Beziehung zur „Dritten Dimension“ das Thema „Flugsicherheit“ doch etwas näher durch den Kopf. Als ich bei einem Mitflug an Bord eines zweimotorigen Seefernkaufklärers vom Typ „Breguet Atlantic“ der Bundesmarine über der Ostsee einen „Triebwerksausfall“ miterleben und die Maschine plötzlich einmotorig über dem Wasser weiter fliegen musste, wurde es mir zugegebener maßen schon ein „bißchen mulmig“. Während die Cockpit-Besatzung in aller Seelenruhe die Notfall-Maßnahmen in den Handbüchern abarbeitete, erinnerte ich mich sekundenschnell an das Briefing, bei dem am Morgen vor dem Start in Nordholz mögliche Rettungsmaßnahmen durchgesprochen worden waren. Ein echter Notfall mit Notwasserung traf zum Glück nicht ein. Die Besatzung flog einfach mit einem Triefwerk weiter und landete sicher auf dem dänischen Nato-Flugplatz Verloese. Dass der Flieger auch mit einem Triebwerk noch sicher in der Luft war, ging mir damals nicht so „mir-dir-nichts durch den Kopf“. Nach der unproblematischen „Notlandung“ in Dänemark erinnerte ich mich an den Spruch „Hurra – wir leben noch!“.
Ob dieses Hurra (in englischer Sprache) einem Mann in ähnlicher Form über die Lippen kam, der anno 1927 als erster Mensch solo von den USA nach Paris flog, ist nicht bekannt. Charles Lindbergh, der diesen „Riesen-Luftsprung“ erfolgreich hinter sich brachte, gehört zu den „Großen“ der Luftfahrt-Geschichte. Er verbrachte seine letzten Lebensjahre auf Hawaii und starb 1974 an einem Krebsleiden. Bereits zu Lebzeiten hatte sich der Luftfahrt-Pionier seine Grabstelle ausgesucht. Sie befindet sich nahe der legendären „Road to Hana“ im Norden der Insel Maui. Anlässlich eines Hawaii-Urlaubs durfte ich ein paar nachdenkliche und stille Minuten am Lindbergh-Grab verbringen und Jahre später auch seine einmotorige „Spirit of St. Louis“ in einem Museum im Washington bewundern.
Dankbar bin ich für viele schöne Luftfahrt-Momente am Himmel dieser Welt. Dazu gehörten unter anderem auch ein Flug über Alaskas Gletscherwelt mit einem Wasserflugzeug, der Blick auf den Grand Canyon aus der Vogelperspektive, ein Hubschrauber-Flug über die größten Wasserfälle der Welt bei Iguacu (Brasilien), ein Flug über den Ayers-Rock (Uluru), dem geologischen Wahrzeichen Australiens beim Sonnenaufgang oder das lautlose Schweben im Berner Oberland in der Schweiz mit einem Tandem-Gleitschirm in Sichtweite das alpinen Dreigestirns „Eiger, Mönch und Jungfrau“.
Obwohl mir ein Flug mit der legendären Concorde nicht vergönnt und auch zu teuer war, konnte ich doch einmal für ein halbes Stündchen in einem „echten“ Flieger auf den sehr engen Ledersitzen Platz nehmen. Das Cockpit dieses schnittigen Airliners, der mit Mach 2 über den Atlantik flog, glich einem Anblick wie man ihn aus den Propeller-Zeiten der sechziger Jahre kennt. Die Sitzplätze waren richtig eng und ungemütlich. Möglich war mir der Concorde-Besuch in NewYork, wo unser Kreuzfahrt-Schiff „Aida“ neben dem früheren Flugzeugträger „Intrepid“ ankerte. Heute ist dieser Koloss ein Luftfahrt-Museum, vor dem tatsächlich eine echte Concorde parkt.
„Schöne Zeiten – Die Hettstadter Fliegerwelt“ schrieb ich über meine Erinnerungen an die Zeit bei der Fluggruppe Hermann Köhl. Auch wenn das Flugwetter einmal nicht so richtig mitspielte, fühlte ich mich in „Hettscht“ wie zu Hause – zu Hause in dem kleinen „fliegerischen Kosmos“ der Fluggruppe Hermann Köhl, bei der damals Willi Volkammer und Theo Rack den Verein führten. Einmal opferte ich einen kompletten Jahresurlaub, um auf dem kleinen Tower Flugleiter-Dienst zu versehen. Flugtage lockten damals abertausende Besucher auf das „Hettstadt-Airfield“. Einmal gelang es mir, mit einer Lufthansa-Boeing 707, die sich hoch über dem Frankenland auf dem Heimflug von Athen nach Frankfurt befand, Funkkontakt aufzunehmen und „luftige Grüße“ an die Cockpit-Besatzung zu schicken. Ein anderes Mal durfte ich selbst aus dem Cockpit einer Boeing 737, die auf den Namen „Würzburg“ getauft worden war per Funk mit meinen Hettstadter Fliegerkameraden reden. Das OK gab mir dazu der Würzburger Flugkapitän Ottmar Röder, mit dem ich von Frankfurt nach Bremen und zurück in seiner Boeing saß. Vielleicht mag es meine große Liebe zur Luftfahrt gewesen sein, dass ich nach meinem AZF-Flugfunkzeugnis Kurse zum Erwerb der Funklizenzen in deutscher und englischer Sprache im Unterrichtsraum bei „Coca-Cola-Hock“ in Würzburg halten durfte.
Gerne erinnerte ich mich auch an die Kontakte mit den Bundeswehr-Sportfluggruppen Husum und Fürstenfeldbruck…